Mittwoch, 23. Mai 2012

Vergleich der beiden Gedichte "Ein Bild" und "Ein Andres" von Arno Holz

Die auf einander bezogenen Gedichte „Ein Bild“ und „Ein Andres“ handeln aus der Zeit der Industrialisierung. Arno Holz versteht es mit den beiden Texten sehr gut, die sozialen Missstände darzustellen. Schon beim ersten Durchlesen lässt sich der große Kontrast von Prunk und bitterer Armut feststellen, die Werke sollen offensichtlich als soziale Anklage verstanden werden. Er selbst lebte am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert und trug entscheidend zur Entstehung des konsequenten Naturalismus, der in exakter Darstellung der Realität neue Wirkungsmöglichkeiten für die Literatur sucht, bei.
In „Ein Bild“ wird die Situation des Adels in vier Strophen mit jeweils acht Versen, die im Kreuzreim verfasst sind, im Prunk und im Luxus geschildert. Fremdsprachige Worte, sehr gewählte Ausdrücke und der Jambus als Metrum untermalen die distinguierte Stimmung. Im ganzen Gedicht, besonders aber in der ersten Strophe, finden sich Farbadjektive, wie zum Beispiel „Aus Sandstein ist das gelbliche Portal,“ die zwar den Luxus, aber auch die damit verbundene Kälte und Reserviertheit verdeutlichen. In der ersten Strophe wird das prunkvolle Anwesen und die Umgebung, im Verlauf des Gedichts immer mehr die Personen und deren Lebensweise und Verhalten beschrieben. Obwohl das Leben des Hausherren noch so edel sein mag, baut sich Spannung auf. Die wichtige Person des Hauses ist krank, weswegen sogar der „greise Hausarzt“ herbeigerufen wird. Mehr und mehr wird der Eindruck eines schweren Leidens vermittelt, Eis und Himbeeren sind die Medizin und andächtige Stille herrscht im ganzen Haus. Erst in der letzten Zeile wird es aufgelöst: Gekonnt bekommt die lesende Person das Gefühl, der Hausherr sei schwer erkrankt, doch ist es seine Frau, die an einer Migräne leidet.
Im zweiten Gedicht, „Ein Andres“, wird die Situation einer Familie am sozialen Abgrund geschildert. Wie auch „Ein Bild“ ist das Werk in vier Strophen mit jeweils acht Versen im Kreuzreim gegliedert, die Sprache ist jedoch den ärmlichen Verhältnissen angeglichen und somit in einfachen Worten verfasst. Genauestens wird die armselige Umgebung, ein heruntergekommener Raum einer Mietskaserne, beschrieben. Das Stroh, das im ersten Gedicht noch als Streu für den Straßendamm benutzt wird, dient als Füllmaterial der Matratze, auf der sich eine todkranke Frau befindet. Drei Kinder stehen stumm an ihrem Krankenbett und warten, der Kindsvater ertränkt seinen Kummer und seine „Wuthgedanken“ in Alkohol. Als einzige Lichtquelle für den Raum leuchtet ein Talglicht mit trübem Schein. Aus Mitleid mit der Kranken wird schließlich ein Arzt, der im Gegensatz zum greisen Hausarzt in „Ein Bild“ ein junger, und wahrscheinlich sehr unerfahrener und gutherziger, Armenhilfsarzt ist, geholt. Durch eine Personifikation, „Da schluchzt sein Herz“, wird die bedrückte Stimmung untermalt, das schwache Licht erlischt und der Arzt kann nur noch den Tod der Mutter feststellen, sie ist wie das Licht „verblichen“. Der gravierende Kontrast der Krankheiten in beiden Werken unverkennbar. Was im einen Gedicht eine Therapie durch Himbeeren mit Eis für Kopfschmerzen ist, ist im Anderen nur noch die Feststellung des Todes nach schwerster Krankheit.
Mich persönlich berührten die beiden Texte sehr. Ich konnte mir durch die vielen Farbadjektive und Personifikationen die Situationen sehr gut vorstellen und mit den Personen, besonders in „Ein Andres“, mitfühlen. Selten ist es mir passiert, dass mich zwei Texte so zum Nachdenken angeregt haben.

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