Mittwoch, 23. Mai 2012

Glosse



In dem Möbelgeschäft meines Vertrauens konnte ich letztens voller Bewunderung eine bequeme Sitzvorrichtung betrachten, die ich dann nach einer halben des Stunde Zögerns und Musterns auch um wie in der Werbung angepriesene „fantastische 150  Euro“ erstand. Mir war davor ja noch gar nicht klar gewesen, wie sehr ich ihn überhaupt brauchte. Die Rede ist von meinem neuen Fernsehsessel.
Ich ließ ihn also um eine Pauschale von 25 Euro zu mir nach Hause transportieren, das sparte mir unnötige Mühe, zudem hatte ich noch das Glück, dass mein Sessel als einziges Stück an diesem Tag ausgeliefert wurde und ich es so nach nur 2 Stunden in meinen vier Wänden nun ganz mein Eigen nennen durfte.
Langsam begann ich erst, die ganzen Vorteile dieses Goldstücks zu realisieren. Neben einer eingebauten Rückenmassagevorrichtung und einer kleinen ausklappbaren Fußablage befand sich noch eine Handyverwahrvorrichtung auf meinem bisher unbenutzten neuen Aufwertungsmöbelstück für mein verbleibendes Mobiliar. Das gute Stück konnte seine volle Wirkung erst entfalten, als es seinen Platz zwischen meinem ausgestopften russischen Tanzbären und meinem Holztisch aus Teek fand.
Sogleich testete ich mein neu erworbenes Luxusgut und kam zum Schluss, dass das Stück auch international sei: der Überzugsstoff aus Bangladesch, dieser wiederum aus amerikanischer Baumwolle, mit Plastikgewinden aus Taiwan, dem inneren Eisenrahmen aus China und zusammengebaut in Österreich, denn der Sessel ist ja „made in Austria“. Verschiedenste Qualitätsprädikate zierten das Etikett, das tatsächlich immer noch an meinem neuen Schatz angeheftet war. Tief beeindruckt über all die bunten Bildchen musterte ich das Zettelchen noch ein letztes Mal, zog dann meine Schere aus der Schublade und schnitt die kleine Plastikschnur ab, sodass das Etikett herunterfiel. Schnell warf ich alles in meinen Mistkübel und widmete mich weiter der Philosophie über meinen neuen Sessel. Wie weich er sich anfühlte! Die erlesensten und flinksten Hände mussten ihn gefertigt haben, was natürlich auch zu erwarten war für den Preis, den ich dafür zu investieren hatte.
Stolz saß ich also da und sah mir die Nachrichten an. Ach, die armen Menschen in fernen Ländern, die haben wohl nicht so schöne Sessel wie wir hier in Österreich. Die Einsicht, als Einzelperson sowieso nicht helfen zu können brachte mich aber schnell dazu, von den Nachrichten auf ein fröhlicheres Programm zu wechseln, zumal die diversen Abendnachrichten sowieso alle die Tautologie verherrlichen, denn die angenehmen Seiten des Lebens werden ja nicht alle Tage genossen.


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